Dienstag, 26. Oktober 2010

#30: Jozef van Wissem & Lidwine, 24.10.10


Konzert: Jozef van Wissem & Lidwine

Ort: ein Wohnzimmer irgendwo in Paris, Oliver Peel Session # 30
Datum: 24.10.10

Zuschauer: zwischen 35 und 40
Konzertdauer: Lidwine und Jozef beide jeweils etwa 50Minuten


Natürlich werde ich immer hier behaupten, daß jede Oliver Peel Session toll gewesen ist. Ich wäre ja auch ein schlechter Vermarkter, würde ich es nicht tun. Wobei Vermarktung nicht so richtig passt, weil wir keine Flyer, Poster oder Ähnliches drucken und ich keinen Cent an der Geschichte verdienen. Bei uns ist die Bude inzwischen immer voll, weil wir es geschafft haben, einen festen Kreis von treuen Stammgästen aufzubauen, zu denen sich erfreulicherweise immer neue Gesichter gesellen. So wird es nie langweilig und prickelnd und die Motivation bleibt erhalten. Um auch unseren Besuchern musikalisch immer mal wieder etwas Neues zu bieten, haben wir dieses Mal eine ganz besondere Session organisiert. Statt Folkmusikern, die traurige Lieder auf der Akustischen kratzen, haben wir eine Pariser Harfespielerin und einen holländichen Laute-Spieler geladen. Natürlich haben auch sie traurige Lieder vorgetragen, aber das hat bei uns Methode. Fröhliche Songs deprimieren mich einfach zutiefst!

Die Pariserin Lidwine eröfnete den Ball mit ihren betörenden, feenhaften Folksongs, die sie abwechselnd auf der Harfe und dem Harmonium vortrug. Ohne männliche Hilfe ging es freilich auch bei ihr nicht, denn ihr Multiinstrumentalist Jérémie half tatkräftig mit. Zwanzig Minuten später packte dann der große und kräftige Holländer Jozef van Wissem seine Laute aus und spielte auf dem barocken Instrument hypnotisierende Instrumentalstücke. Den Zuschauern eröffnete sich ein ganz neues Klang-Universum, weil es weltweit nur noch ganz wenige Musiker gibt, die auf einer Laute spielen und komponieren. Kein Wunder, daß Filmmacher Jim Jarmush Fan des in Amerika lebenden Niederländers ist und mit ihrm zusammen einen Song geschrieben hat.

Ach so: diese Session war wahnsinnig toll, siehe oben!

Mehr Bericht in Kürze!


Samstag, 2. Oktober 2010

#29: The Mountains & The Trees, 01.10.10


Konzert: The Mountains & The Trees

Ort: ein Wohnzimmer irgendwo in Paris, Oliver Peel Session # 29
Datum: 01.10.2010
Zuschauer: 31
Konzertdauer: 70 Minuten


Heute konnte man zum Glück wieder ein wenig in unserem Wohnzimmer zirkulieren, denn im Gegensatz zur letzten Session, wo über 50 Gäste dicht gedrängt aufeinanderhockten, war es an diesem 1. Oktober deutlich überschaubarer. Das lag aber nicht am auftretenden Künster - der war hervorragend -, sondern schlicht und einfach daran, daß ich die Einladungen erst an diesem Dienstag verschickt hatte. Ging auch gar nicht früher, denn ich hatte erst Montag nacht davon erfahren, daß ein talentierter Kanadier namens The Mountains & The Trees eine Auftrittsmöglichkeit in Paris sucht. Sein für das Truskel angesetzte Konzert wurde von den dortigen Veranstaltern kurzerhand annuliert, angeblich weil man lieber eine Fußballübertragung senden wollte. Ich zögerte nicht lange und schlug zu! Diesen (in künstlerischer Hinsicht) dicken Fisch wollte ich mir nicht durch die Finger gleiten lassen!



Spontane Feten sind oft die besten und so war es auch heute. Alle hatten wir Spaß, der junge Kandier, der mit bürgerlichem Namen Jon heißt, unser Kater D'Artagnan und die rund 30 Gäste. Auch die älteste Bewohnerin des Hauses war mit von der Partie, was mich ganz besonders freute. Mademoiselle B. dürfte gut und gerne 90 Jahre alt sein. Aber sie rockt! Mit Orangensaftglas in der Hand und Hörgerät im Ohr, verfolgte sie aufmerksam die Show, die nicht nur musikalisch feinen, handgemachten Folk bot, sondern auch durch die zahlreichen Geschichten von Jon über seine Heimat in Neufundland bereichert wurde.

Für diejenigen, die ausführliche Konzertberichte schätzen:

Eigentlich passte mir eine neuerliche Session gar nicht in den Kram. Noch ausgelaugt von der letzten und auch sonst Saft-und kraftlos, richtete ich mich erst für den 24. Oktober auf Gäste in unserer guten Stube ein. Dann aber erhielt ich Montag nacht eine e-mail von einer jungen, musikbegeisterten Französin. Ob es möglich wäre, Jon Janes aka The Mountains & The Trees Freitag bei uns spielen zu lassen. The Mountains & The Trees? Von dem jungen Kanadier hatte ich bereits auf dem Klienicum gelesen und seitdem war ich ziemlich angefixt von seinem warmen Folk. "Immer hereinspaziert, die guten Künstler bitte hier (auf unsere Eingangstür zeigend) entlang!", frohlockte ich innerlich. Ich hatte die Rechnung aber ohne den Wirt, sprich meine Frau gemacht. Sie ist bei uns uneingeschränkter Boss und entscheidet alles. Ich persönlich habe nix, aber auch gar nix zu melden. Ziemlich kleinlaut fragte ich sie, ob sie am Freitag Bock auf einen Neufundländer und mindestens 30 Gäste hätte. Ich erwartete ein schroffes Nein, bekam aber nach einem gewissen Ringen ein d'accord. Cool!

Am nächsten Tag gingen Einladungs-Mails raus, aber weil die Sache so kurzfristig war, gab es deutlich mehr Absagen als sonst. Egal, eine kleinere Session war im Grunde genommen genau nach meinem Geschmack. Eine Geschmacksfrage war auch die Auswahl des Essens. Meine Frau und ich hatten sowas von keinen Bock mehr auf die blöden Quiches, daß wir beschlossen, französische Baguette-Brote kreativ zu belegen. Ein voller Erfolg bei den Gästen, schon nach gut einer Stunde waren die Teller blank geputzt und kein einziges Sandwich mehr übrig. Auch der Künstler Jon labte sich an den köstlichen Teilen, war aber ansonsten sehr diszipliniert. Für seinen Auftritt erbat er sich lediglich zwei große Glas Wasser und einen weiteren Becher schwarzen Tee (während der Deutschland Tour hatte er einmal einen gewaltigen Kater (" a german hangover from german beer") und außerdem war er krank. Ein Hamburger Arzt, der nach dem Studium als Barkeeper arbeitete, heilte ihn aber auf fast wundersame Weise).

Nur mit Socken an den großen Füßen begann er gegen 21 Uhr sein schönes Set. Seine unfassbar großen, schwarzen Schuhe waren so abgelatscht, daß sich die Sohle vom Schuh ablöste. Breit grinsend zeigte er die fiesen Teile dem belustigten Publikum. Ein liebenswürdiger Bursche, dieser Jon Janes. Sehr natürlich und geerdet und mit seiner Heimat Neufundland fest verwurzelt. In dieser rauen Gegend (bis zu minus 35 Grad ° im Winter! ) braucht man dann wohl auch einen solch dicken, winddichten Pullover wie er. Sein weiß gestrickter Sweater mit dem schwarz-roten Pferdchen Motiv scheint so etwas wie ein Markenzeichen zu sein, denn er trägt ihn auch im Booklet seiner Debüt-CD I Made This For You. Apropos CDs. Weil sämtliche Silberlinge bei der Deutschlandtour mit Dan Mangan ausverkauft wurden, hatte Jon extra am Dienstag Nachschub in London bestellt und das Päckchen an meine Adresse zustellen lassen. Die Tonträger kamen erst an diesem Freitag an, eine veritable Punktlandung! Um so schöner, daß der Sänger alle 10 Exemplare absetzen und damit seine Tourkasse aufbessern konnte. Die Reisen durch Europa müssen schließlich irgendwie finanziert werden und teure Hotels sind da natürlich auch nicht drin. Insofern super, daß die Französin Stéphanie den 27-Jährigen beherbergte. Das war vorher seine Hauptsorge, kein Wunder, wer schläft schon gerne unter einer Brücke?

Von allen Unterkunftssorgen befreit, spielte Jon ganz locker und unverkrampft auf. Nichts wirkt gekünstelt bei ihm, jedes Lied passte zu dem Kerl mit den kurzgeschoren Haaren. Als erstes spielte er Hospital, einen Song, der auf seiner ersten EP drauf ist. Das lediglich mit einer Stückzahl von 1000 Exemplaren aufgelegte Werk ist aber vergriffen, so daß man den Track über die Webseite des Kanadiers ordern muss, wenn man ihn denn haben möchte. Ich denkte die Bestellung lohnt, denn das Songwriting ist fein und erstaunlich reif und das Mundharmonikaspiel herzerwärmend.

Mit Stück Nummer zwei der Setlist stieg Jon dann in sein Albummaterial ein. Goodbye Little Town erzählt von seiner Heimat Pasadena, Neufundland, ein dreitausend Einwohner Nest im Nordosten Kandas. Sein Herkunft aus dieser dünn besiedelten Gegend wolle er aber nie vergessen, erklärte er einläutend, denn da kämen nun einmal seine Wurzeln her, auch wenn er nun in einer Millionenstadt wie Paris spiele. Am heimatnächsten hätte er sich während seiner Tour in der 35 ooo Seelengemeinde Reutlingen gefühlt, obwohl selbst dieses Provinzstädtchen deutlich größer als Pasadena sei.

Dann erzählte der Smalltown Boy von den Bergen, die er schon in seinem Projektnamen trägt. Bei seiner Tour durch England vor ein paar Monaten, habe er die Briten immer gefragt, ob es Berge im Vereinigten Königreich gäbe. Er wisse zwar, das dem nicht so sei, wollte aber testen, ob die Engländer ihn belügen. Ich wand ein, daß es in Schottland doch den Ben Nevis gäbe, aber er wiegelte ab und meinte, das gehöre ja gar nicht so richtig zu England. Dann wechselte er das Land, aber nicht das Thema und sagte, daß er in Deutschland gelernt habe, daß es dort die Alpen gäbe, genau wie in Frankreich. Er würde hier und heute also nicht die Frage nach der Existenz von Bergen stellen und schickte einen Song hinterher, in dem es auch um "Mountains" ging (Mountains At Night). Erstaunlich wie nonchalant und spielerisch er diese ganzen kleinen Folkperlen aus seinem Ärmel schüttelte. Jedes einzelne Lied trug seine ganz persönliche Handschrift, offenbarte uns, was in einem naturliebenden Neufundländer gedanklich so vor sich geht und wärmte das Folkherz der vorbildlich leisen Zuhörer. So einfach und doch so ergreifend kann Musik sein. Wer braucht da noch bombastische Stadionbands, wenn man mit simplen Mitteln auf das Beste in einem Wohnzimmer berieselt werden kann? Und was braucht der Mensch überhaupt? Auf was kann er verzichten? Laut einem wunderbaren Spruch: auf alles außer Katzen und Literatur! Das war das Stichwort für unseren Ragdollkater d'Artagan. Jetzt waren seine fünf Minuten Ruhm gekommen! Frech wie immer stieg er über die Beine der auf dem Boden kauernden Gäste und bahnte sich den Weg zur improvisierten Bühne. Jon lachte sich darüber kaputt, hielt mit seinem Spiel kurz inne und prustete lauthals grinsend: "man hatte mich vorgewarnt, daß dies passieren würde." - "In diesem Zusammenhang muss ich euch eine Geschichte erzählen: bei einem kürzlichen Konzert kam ein Baby nach vorne gelaufen und wollte meinen Koffer klauen, aber er war ihm zu schwer, er konnte ihn nicht hochheben."...

Ein Highlight in humoriger Hinsicht, was den musikalischen Teil betraf , war dies für mich aber das unglaubliche ohrwurmige Lied More & More & More. Wenn ich das richtig verstanden habe, hat The Mountains & The Trees die Inspiration für diesen Song von seinem Musiker-und Tourkollegen Dan Mangan bezogen, den er sehr schätzt. Auf jeden Fall hat er ihn nachts um drei Uhr geschrieben! Herrlich wie bei diesem Hit (Text: "Sold my only guitar, put all my money into a broken car"...) die Hände von Jon über die Saiten seiner Gitarre flogen und er fast in Morrissey-Manier wie ein ausgebuffter Routinier croonte. Das Stück gefiel mir so gut, daß ich es mir sogar im Zugabenteil noch einmal wünschte (ich hätte aber auch Up And Down auswählen können, denn auch das war ein Hammer!). Der Nachschlag fiel mit drei Liedern ohnehin üppig aus und bestand auch aus einem Bright Eyes Cover, At The Bottom Of Everything. Augenzwinkernd behauptete ich, Conor Oberst hätte auch schon einmal in unserem Wohnzimmer vom Leder gezogen, als aber Jon ziemlich verdattert: "Really?? At this place??" in die Runde fragte, gab ich zu, daß ich geflunkert hatte. Schlagfertig konterte Jon: "He first has to get bigger, before he can play here." Das Cover gelang dem Kanadier übrigens ziemlich gut, obwohl er sich zweimal leicht verhedderte.

Das abschließende Lied war eine Art "New Foundland Traditional", das er in den letzten drei Jahren nur einmal gespielt hatte, weil sich das Landsleute aus dem nördlichen Teils Ontarios gewünscht hatten. Jon erklärte uns auch noch das Neufundland vom Festland abegtrennt ist und man eine achtstündige Fahrt mit der Fähre unternehmen müsse, um auf den Kontinent zu gelangen, bei schlechtem Wetter sogar eine zweiundvierzigstündige ("not even a joke")! Das Lied war wundervoll wie das gesamte Set und beendete den musikalischen Teil diese tollen Abends. Nun wurde getrunken und geflirtet wie sich das gehört!

Bis demnächst also, wenn es wieder heißt: "Bonsoir tout le monde pour une nouvelle Oliver Peel Session!"

Setlist The Mountains & The Trees, Oliver Peel Session # 29, Paris:
01: Hospital
02: Goodbye Little Town
03: Mountains At Night
04: Carry On
05: ?
06: More & More & More
07: Letter To A Friend

08: At The Bottom Of Everything (We Must Sing) Bright Eyes Cover
09: More & More & More
10: Traditional New Foundland Song



Freitag, 1. Oktober 2010

#28: Glissando & Farewell Poetry, 21.09.10


Konzert: Glissando & Farewell Poetry (Akustik Duo)
Ort: ein Wohnzimmer irgendwo in Paris, Oliver Peel Session # 28
Datum: 21.09.2010
Zuschauer: mindestens 50! Rekordkulisse!


So langsam aber sicher wird es wirklich zu voll in unserem Wohnzimmer. Aber ich will nun einmal niemanden gerne ausschließen und auch immer offen für neue Gesichter sein. Wie ich den Zuschauerandrang künftig regeln kann, weiß ich noch nicht, aber vielleicht fällt mir ja irgendeine gute Idee ein. Zum Beispiel, daß mir jeder Gast eine CD schenken muss oder so...


Glissando Oliver Peel session in Paris last song 21/09/10
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Am regen Interesse an dieser Session waren natürlich die auftretenden Künstler maßgeblich beteiligt. Fans von Farewell Poetry und Glissando (UK) bombardierten mich in den letzten Tagen und Wochen mit E-mails, das sie bei MySpace und Facebook von der Veranstaltung Wind bekommen hatten. Die Session hielt dann auch, was sie versprach. Die talentierten Musiker toppten sogar noch meine kühnsten Erwartungen. Sie boten bei schummrigem Licht hochmelancholische Lieder voller Eleganz, Schwermut und unübertroffener Schönheit.

Für Freunde ausführlicher Konzertberichte:

Als ich Elly sagte, wie wundervoll ich ihr Konzert gefunden hätte, schossen der Sängerin von Glissando Tränen in die Augen. Das berührte mich ungemein und ich gab dem zierlichen Mädchen einen kräftigen Hug. Ich war ihr extrem dankbar. Dankbar dafür, daß sie mich mit ihrer kristallklaren Stimme und ihrem gefühlvollen Pianospiel in eine andere, schönere Welt gebeamt hatte. Dankbar dafür, daß sie wie die anderen Bands zuvor, den Mut aufgebracht hatte, auf solch engem Raume ohne Schutzschild, ja quasi nackt, ihr Innerstes nach außen zu kehren. Und dankbar auch dafür, daß sie und ihre Band sich für die Kunst und nicht eine finanziell lukrative Karriere entschieden haben. Als junger Musiker geht man ein großes Risiko ein, nie richtig von der Musik leben zu können. Dennoch muss man professionnel üben, komponieren, touren. Das nimmt soviel Zeit in Anspruch, daß meist nur noch Gelegenheitsjobs übrig bleiben, mit denen man sich irgendwie über Wasser hält. Die Eltern dieser jungen Künstler sind mit dem Werdegang ihrer Zöglinge oft nicht einverstanden, machen sich Sorgen um ihre Zukunft und geben diese Sorgen mittels Vorwürfen an ihre Kinder weiter. Um so schöner, daß heute sogar die Mutter (+ die beiden jüngeren Schwestern) der in Paris lebenden Engländerin Jayne Amara Ross zugegen war und stolz mitverfolgte, was ihre Tochter zusammen mit dem Gitarristen Frédéric D. Oberland auf die Beine stellte. Jayne und Frédéric sind Gründungsmitglieder der vielköpfigen Experimental/Postrockband Farewell Poetry, die auf größeren Bühnen mit etlichen anderen Musikern auftreten. Für die heutige, 28. Oliver Peel Session, hatten die beiden eine spezielle akustische Version ihrer cinematographischen Songs ausgearbeitet.

Um 18 Uhr stand das hübsche Pärchen bei uns auf der Matte. Sie hatten die drei Mitglieder von Glissando, Elly, Angela und Richard praktischerweise gleich mitgebracht. Ohne sich lange ablenken zu lassen (zum Beispiel durch unsere neugierige Katze), bauten sie akribisch ihre multiplen Steckverbindungen auf. Soviel Material und Instrumente wie heute hatten noch keine anderen Künstler zu einer Oliver Peel Session herangewuchtet. Irgendwann stand überall Equipment im Wohnzimmer rum. Mir schwante bereits zu diesem Zeitpunkt, daß es heute bei uns sehr voll werden würde. Am Ende war wirklich kaum noch ein Plätzchen in der Wohnstube frei, denn über 50 Gäste hatten sich eingefunden! Eine Rekordkulisse! Alle wollten sie Farewell Poetry und Glisssando sehen, zwei Bands, die im Underground einen glänzenden Namen haben. Eine Session für Spezialisten, musikalisch mit den vorhergehenden 27 Ausgaben nicht zu vergleichen. Statt zarten Ladies mit Akustikklampfe und Banjo, gab es heute düster-schönen Shoegaze bzw. Ambient/Filmmusik.

Farewell Poetry starteten ins Programm. Der Dulcimer Song wurde angestimmt und drei mal dürft ihr raten, auf welchem Instrument er zelebriert wurde? Richtig auf einem Dulcimer! Und zwar auf einem Appalachen Dulcimer* um genau zu sein. Frédéric sang dazu wunderschön. Äh, Unsinn, das Lied blieb komplett instrumental, genau wie der Happy Song, der an dritter Stelle auf der Gitarre (teilweise unter Zuhilfenahme eines Geigenbogens) vorgetragen wurde. Gesungen wurde allerdings bei Stück zwei der Setlist, January, In The Bold Jaws Of Beartraps. Obwohl auch dies ungenau ist, denn die bildhübsche Jayne Amara Ross sprach viel mehr als sie sang. Spoken word oder wie man das nennt. Mit einer unglaublich erotischen, dunklen Hauchstimme brabbelte sie sinnliches Zeug, während ihr Lover Fréderic seiner tollen roten Gretsch hochmelancholische Töne entlockte Das Stück hatte hypnotische, benebelnde und überaus stimulierende Wirkung. Manchmal klang es wie Telefonsex im Oliver Peelschen Wohnzimmer. "Hey, hey, hey" stöhnte Jayne und wäre ich 20 Jahre jünger gewesen, hätte ich bestimmt einen Dauerständer bekommen! Aber es blieb alles gesittet, schließlich war ja Jaynes Mutter und unsere minderjährige Katze da. Gegen Ende des Songs hin drehte die Gitarre ein paar luftige und nicht gerade leise Kurven, so daß ich schon wieder Mitleid mit meinen Nachbarn hatte. Wegen der enormen Hitze in unserer Stinkbude hatten wir die Fenster weit geöffnet und hofften, daß uns dies niemand übelnimmt.

Nach dem bereits erwähnten, krautrockigen Happy Song (der trotzdem noch relativ düster klang, alles ist relativ), durfte Jayne bei Villanelle wieder Hauchen was das Zeug hält. Sie hatte eine quadratische Schaltfläche auf ihren schönen Beinen, die aufblinkte wie ein Geldautomat in Las Vegas. Frédéric zupfte diesmal nur ganz leicht an den Seiten seiner Gretsch und untermalte auf diese Weise perfekt die Schilderungen seiner englischen Freundin. Die Atmosphäre war knisternd und nur die bunten Girlanden und Teelichter beleuchteten unsere Wohnstube. Wenn nicht so viele Leute dagewesen wären, hätte ich mich glatt auf den Fußboden gelegt und eine Hypnosesitzung angehalten. Es erschallten Töne, die von einem anderen Planeten zu kommen schienen. Fred spielte gegen Ende Keyboard und gab dem Abschluß des Stücks dadurch eine feierliche, fast kirchliche Note. Leute erzählten mir hinterher, daß sie geweint hätten, so betörend schön fanden sie das alles. Nun gut, es gab ja schon früher Leute, die bei einem doofen Hollywoodstreifen wie E.T. geflennt haben, aber heute war das Ausschütten salziger Augenflüssigkeit durchaus angebracht. Nur die Harten kommen in den Garten galt an diesem 21. September eben nicht!

Der letzte Song von Farewell Poetry, eigentlich Filmmusik (The Freemartin Calf von Jayne Amara Ross) war ein einziger schöner Traum und wurde zusammen mit den drei Glissandos performt. Fréderic, dieser moderne Richard Clayderman, spielte eine herzzereißende Melodie auf dem Piano und Angela, die schöne Geigerin von Glissando, fiedelte meine Knie butterweich. Wer jetzt keine Tränen in den Augen hatte, war aus Zement gebaut. Zumal zur Mitte des Liedes noch Elly May Irving von Glisando sang, als wollte sie unsere Gläser zerbersten lassen. Melodramatik pur im Peelschen Wohnzimmer!! Ein Song, der mein Leben verändert hatte und dabei waren die Headliner von Glissando bisher doch erst sporadisch in Erscheinung getreten. Wie sollte ich das emotional verkraften? Ich Weinerle? Ich Andy Möller der Bloggerszene? Die Antworten hierauf sehr bald!


Pour nos lecteurs français:

Une session envoûtante! Belle a pleurer, sensuelle et captivante. Je suis complètement sous le charme des compositions melancoliques de Farewell Peotry et de Glissando! Merci à tout le monde d'avoir participé à cette bien belle soirée.

Setlist Farewell Poetry, Oliver Peel Session # 28, Paris:

01: The Dulcimer Song (instrumental, new)
02: January, In The Bold Jaws Of Beartraps
03: Villanelle
04: The Happy Song (instrumental, new)
05: The End, from The Freemartin Calf (feat. Glissando)

Videos:

- Video 1: January, In The Bold Jaws Of Beartraps by Farewell Poetry (Uschirocksparis)
- Video 2: The End, Farewell Poetry feat. Glissando (gefilmt von Uschirocksparis)
- Video 3 & 4 gefilmt von Benoit aka No More Return, Titel siehe Beschriftung






FareWell Poetry (duo) 'Villanelle' Oliver Peel session Paris
envoyé par NoMoreReturn. - Clip, interview et concert.


FareWell Poetry (duo) 'The Happy Song (instrumental)' Paris
envoyé par NoMoreReturn. - Regardez la dernière sélection musicale.

Hier kann man prima nachlesen, was das genau ist