Mittwoch, 21. Oktober 2009

#12: Karo, 18.10.09


Konzert: Karo
Ort: ein Wohnzimmer irgendwo in Paris, Oliver Peel Session # 12

Datum: 18.10.2009
Zuschauer: 27
Konzertdauer: genau eine Stunde



Schon nach einer kurzen Hörprobe auf ihrer MySpace Seite war mir klar: Die musste ich haben! Und zwar in unserem Wohnzimmer! Der feinfühle Gesang und das reduzierte, aber melodische Gitarrenspiel der Würzburger Sängerin Karo hatte mich fast magisch angezogen.

Ob sie kommen würde, wenn ich nett fragte? Ein Versuch war es wert, zumal sie im Oktober schon einen Konzerttermin im stets erlesen besetzten Emile Vache im ostfranzösischen Metz eingetragen hatte. Ein kurzer Abstecher nach Paris und zwar in unsere gute Stube, das wär's doch! Nervös tippte ich ein paar Zeilen an die Künstlerin und ließ schon mal durchblicken, daß ich Interesse an einer Session mit ihr hätte. Auf genaue Detail verzichtete ich zunächst, ich wollte erst einmal in Erfahrung bringen, ob Karo grundsätzlich für ein solches Abenteuer offen war. Sie war es! In einer netten Mail bekundete sie prompt, daß sie nichts dagegen hätte, falls sie denn eine bezahlbare Zugverbindung bekäme und bei uns nächtigen könne. Die Schlafmöglichkeit auf unserer erprobten Gästeluftmatratze konnnte ich ihr sofort zusichern, eine günstige Zugfahrt zurück nach Würzburg zu finden, erschien mir da schon schwieriger. Glücklicherweise fand sich aber bald ein sehr attraktiver Tarif und somit waren die Formalitäten auch schon geklärt. Auch meine (zugegebenermaßen recht rhetorische) Frage, ob denn bei ihr eine Katzenallergie bestünde, wurde glücklicherweise verneint und so stand dem Abenteuer nichts mehr im Wege.

Ich fieberte dem vereinbarten Termin, dem 18. Oktober, nun täglich entgegen. Inständig hoffte ich, daß nichts mehr dazwischen kommen würde. Hach, war das alles wieder so aufregend! Vor den Sessions sterbe ich regelmäßig 100 Tode! Karos Meldung, daß sie gesundheitlich nicht 100 % auf dem Damm ist, besorgte mich natürlich, aber sie versicherte schon gleich, daß sie die Reise nach Frankreich auf jeden Fall antreten würde. Puh!

Vom am 17. Oktober stattfindenen Konzert in Metz berichtete Karo auf telefonische Nachfrage schließlich nur Positives. Sie solle auf jeden Fall wiederkommen, hatte man ihr in Lothringen ausgerichtet. Prima! Das freute mich natürlich für sie.

Nun also Paris. Der große Tag, der 18.Oktober, war gekommen. Heute würde unser Wohnzimmer wieder beben und die Nerven der Nachbarn auf eine erneute Geduldsprobe gestellt werden. Um der Sache noch mehr Pfeffer zu verleihen, war ich extra in einen Musikladen gegangen, um einen Mikroständer zu kaufen. Ich wollte bestmögliche Bedingungen für Karo schaffen, schließlich hatte sie ja ausgerichtet, mit E-Gitarre und Mikro aufzulaufen. Dummerweise fehlte aber ein Verbindungsteil an dem blöden Ständer (pied de micro auf französisch, das hatte ich ganz neu gelernt!) und außerdem konnte man das Mikro nicht einstöpseln, weil im Verstärker schon der Stecker für die Elektrische steckte. Dumm gelaufen! Wieder einmal ärgerte ich mich, Jura studiert zu haben. Wäre es nicht besser gewesen, Tontechniker zu lernen? ...

Karos Zug kam um 17 Uhr 20 am Pariser Ostbanhhof an. Zu dieser Zeit irrte ich aber noch in überfüllten Metroschächten rum und kam prompt 10 Minuten zu spät! Schon peinlich, aber mein Gast nahm es mir zum Glück nicht übel. Gemeinsam gondelten wir zur Location, sprich unserem Wohnzimmer und luden das schwere Gepäck ab. Viel Zeit uns kennenzulernen, blieb aber nicht, denn schon eine halbe Stunde später trudelten die ersten Gäste ein. Letztendlich waren wir 27, eine zufriedenstellende Besucherzahl. Die maximale Kapazität unseres Wohnzimmer dürfte sich auf 40 Leute belaufen. Bei Simone White waren wir mit 35 schon nah dran, auch wenn Uschi aus Dortmund, die wir freudigerweise zum dritten Mal begrüßen durften, behauptete, ich würde bei den Zuschauerzahlen übertreiben, wir seien weniger gewesen. Irrtum, Uschi! Oder zweifelst Du etwa auch an, daß zu Glanzeiten des BVB das Westfalenstadion regelmäßig ausverkauft war? ;-)

27 Glückliche also, die in den Genuß von Karo kamen und dies in sehr intimen Ambiente. Sie wussten ihr Glück zu schätzen, denn alle verhielten sich absolut vorbildlich und waren 60 Minuten lang mucksmäuschenstill, sieht man mal von der Mitsingpassage beim Not In Love Song (mit eingebautem Refrain von U2 In The Name Of Love) ab. Karo selbst aber war durchaus gesprächig. In einem exzellenten und akzentfreien Englisch betrieb sie munter Konversation und brach so ziemlich schnell das Eis. Zu den einzelnen Stücken hatte sie immer mal wieder eine kleine Erklärung parat und eine der am häufigsten wiederholten Aussagen war, daß ihre meisten Lieder Lovesongs seien (sie bezifferte die Quote auf 90 %). Selbst der unwiderstehliche Not In Love Song sei letztlich ein solcher, fügte sie schmunzelnd hinzu, als sie den Ohrwurm anstimmte. Das Stück vereinte so ziemlich alle Stärken der Musikerin. Es ist wunderbar melancholisch, aber voller Hoffnung, nahegehend, ohne zu schwülsteln und atemberaubend intim, ohne aufdringlich zu sein. Karo schafft es, mit recht simplen Mitteln, eine knisternde Atmosphäre zu erzeugen und den Hörer in den Bann zu ziehen. Oft fangen ihre Lieder recht getragen an, bauen dann aber im weiteren Verlaufe eine immer stärker werdende Spannung auf und enden schließlich mit einem Befreiungsschlag mittels einer Stimme, die alle Blockaden lockert und ihre volle Lautstärke und Instensität entfaltet. Überhaupt diese Stimme: so sinnlich, fragil und betörend. Man möchte ihr stundenlang zuhören, sie übt eine magische, ja hypnotische Wirkung aus. Sie spiegelt Ruhe, aber auch Sensibilität, Verletzlichkeit, Aufbegehren und Leidenschaft wieder. Vor allem aber spendet sie viel Trost und Hoffnung, keines der melancholisch angehauchten Lieder würde ich als trist oder deprimierend bezeichnen. Im Gegenteil, am Ende eines jeweiligen Songs fühlt man sich oft berauscht und optimistisch.

Karos Repertoire ist zudem abwechslungsreich. Sie variiert zwischen Folkballade und schmissigem Indierock und drückt jedem Titel ihren eigenen Stempel auf. Selbst wenn sie wie heute abend Coverversionen wie Chris Issak's Wicked Game oder Celine Dione's Pour que tu m'aimes encore (1994) spielt, klingt das Ergebnis stark nach Karo und recht wenig nach dem gecoverten Künstler. Gerade im Fall von Celine Dion natürlich ein Segen! Aber Karo mag Celine wirklich, zumindest ihre Stimme. Von der Persönlichkeit hält sie weniger, sie glaubt, daß die Kanadierin ziemlich verrückt ist. Besonders witzig war eine spezielle Erklärung für die Antipathie gegenüber der Dion: "she is skinny!"

Am verblüffendsten war, daß Karo den französischen Text von Pour que tu m'aimes encore völlig akzentfrei intonierte, obwohl sie mehrfach behauptete, die Sprache Moliere's nicht zu beherrschen. Auch hier hatte sie eine amüsante Erklärung parat: In der Schule sei ihr Oberstufen- Französichkurs nicht zustande gekommen, weil sich zu wenige Leute eingefunden hatten. Ihr wurde angeboten, dem Kurs der Schüler zu folgen, die die Sprache schon viel früher gewählt hatten. Da verstand sie aber nur Bahnhof und entschied sich für spanisch. Resultat: Nun spricht sie nach eigenen Angaben weder spanisch noch französisch. Wie das Leben eben so spielt...

Aber eigentlich gefallen mir die eigenen Kompositionen von Karo ohnehin besser. Einer meiner absoluten Favoriten ist das extrem fetzige All Is Light, bei dem die Würzburgerin (die eigentlich aus Hessen stammt) so richtig rockte. Zumindest so gut wie das eben in einem Wohnzimmer geht. Ich kann mir bildlich vorstellen, wie ein solcher Kracher, in dem es um unerwiderte Liebe geht, auf einer "richtigen"Konzerbühne abgeht! "All is Light, since you are gone", singt sie in dem Stück am Ende einfühlsam und erneut ist man als Zuhörer durch ein Wechselbad schaurig-schöner Gefühle gegangen und hat sein Herz auf das Wundervollste erwärmt. Das Publikum applaudierte konsequenterweise intensiv und aufrichtig.

Die Zeit verging leider wie im Fluge und ohne es zu bemerken, war das Ende des Sets herangerückt. Natürlich performte Karo noch ihr bekanntestes Lied The Sailor, das ihr Vergleiche mit Cat Power eingebracht hatte und angeblich auch Thees "Tomte" Uhlmann mit der Zunge schnalzen lies. Später hat der Bursche aber abgestritten, das Lied überhaupt zu kennen. Eine etwas verwirrende Geschichte. Aber Karo gefällt mir sowieso viel viel besser als Tomte! Sie wird ihren Weg gehen, davon bin ich überzeugt. Wer kann sich schon dem fragilen Zauber ihrer Stücke entziehen? Noch nicht einmal unser Kater!

Allein der als Zugabe gebrachte Titelrack des Albums Sing Out, Heart! war es wert, sie eingeladen zu haben. Meine hochgesteckten Erwartungen wurden jedenfalls noch übertroffen und Karo hat den Oliver Peel Sessions ein weiteres wunderschönes Kapitel hinzugefügt.

Mein Dank geht an die Künstlerin, unsere lieben Gäste und auch an meine Frau, die wieder einmal bergeweise Crêpes gemacht hat. Ohne sie würde es die Sessions nicht geben. Oder vielleicht doch, aber die Gäste und Künstler wären hungrig und durstig und würden nicht gerne wiederkommen...

Ganz besonderen Dank verdient der Frankenblogger, über den ich (hier!) überhaupt erst auf Karo gestoßen bin. Weiter so, leChristoph!


Setlist Karo, Oliver Peel Session folgt...

Links:

. mehr Fotos von der Session mit Karo hier
- Hübscher Videclip Karo- The Sailor hier
- Videoclip Not In Love Song hier
- hervorragende Fotos von Robert Gil. Klick!


Donnerstag, 8. Oktober 2009

#11: Leopold Skin & Mad Man, 02.10.09


Konzert: Leopold Skin & Mad Man, Oliver Peel Session # 11

Ort: Ein Wohnzimmer irgendwo in Paris

Datum: 2.10.2009
Zuschauer: 27

Konzertdauer: Mad Man knapp 25 Minuten, Leopold Skin etwa 45 Minuten




Gut, daß wir hier alles nachblättern können! Ich wußte nämlich noch haargenau, daß ich den französischen Singer/Songwriter Leopold Skin vor ein paar Jahren schon einmal live im Trabendo gesehen hatte. Er war Support. Aber für wen? Erst ein Blick in die Urtiefen unseres Archiv verriet mir, daß er Ende 2006 Teil der tränenreichen Abschiedstournee der legendären Schotten Arab Strap war. Damals hätte ich nie und nimmer daran gedacht, daß Damien, so heißt Leopold im bürgerlichen Leben, einmal in meinem Wohnzimmer spielen würde. Ich wusste ja noch nicht einmal, wie lange wir unser Konzerttagebuch (das zunächst noch meinzuhausemeinblog hieß) weiterführen würden.

Knapp 3 Jahre später aber, steht plötzlich Damien bei uns auf der Matte! Etwas abgekämpft ist er gerade eben mit dem Zug aus Lyon eingereist, wo er studiert. Der 22 jährige legt erst einmal sein schweres Gepäck ab und genehmigt sich schon einmal ein Bier. Innerhalb kurzer Zeit hat er sich bestens akklimatisiert und kann schon bald die Finger nicht mehr von unserem weißen Kater nehmen! Nur 10 Minuten später klingelt es erneut an der Tür und die Schwedin Rebecka, die unter dem Künstlernamen Mad Man auftritt, vergrößert die Runde. Die Musiker des heutigen Abends sind also da. Schön! Fehlen nur noch die Gäste, aber die trudeln natürlich auch irgendwann ein. Insgesamt werden es heute 27 sein. Vorauszusehen, wieviele Besucher letztlich kommen, ist das schwierigste bei der Planung der Sessions. Ich habe inzwischen eine e-mail Liste von über 100 verschiedenen Leuten, die schon einmal dabei waren, aber wenn ich die alle einladen würde, platzten wir aus allen Nähten! Die Obergrenze unseres wohnzimmerlichen Fassungsvermögens würde ich auf etwa 40 beziffern. Die letzten beiden Male waren wir mit 35 schon nahe dran.

Witzigste Anekdote der Vorbereitung dieser heutigen Session war sicherlich ein amüsantes Mail, das ich von Rebecka vor ein paar Tagen erhalten hatte: "Ich komme mit 20 Freunden. Ist das ok, oder zuviel?" Ich musste sie darauf hinweisen, daß wir leider über keine Arena verfügten und sie auf etwa 12 reduzieren solle. Da ich meinserseits aber auch einige Absagen verschmerzen musste (es gab doch tatsächlich einige Leute, die lieber zu den abgehalfterten The Cult ins Bataclan gegangen waren!), hätte sie am Ende doch mit allen Fans anrücken können...


Gegen 20 Uhr 45 waren dann schließlich alle Gäste versammelt, labten sich an den Sandwiches, die meine Frau Cécile vorbereitet hatte (ich persönlich hatte alle Einkäufe erledigt) und tranken Bier, Rotwein, oder Cola. Rebecka aka Mad Man benügte sich mit stillem Wasser, das ich ihr auf ein kleines Beistelltischchen platziert hatte. Es konnte losgehen!

Ich kündigte die hübsche Schwedin an: "Rebecka kommt aus Vallentuna, einer Vorstadt von Stockholm und lebt seit einem Jahr in Paris. Sie ist erst 21 Jahre alt und gibt eigentlich ziemlich selten Konzerte. Ich persönlich habe sie vor ein paar Monaten im Pop In für mich entdeckt und war von ihrer traumhaft schönen Stimme so begeistert, daß ich sie unbedingt für eine Sesson gewinnen wollte! Und dieses Vorhaben habe ich nun in die Tatsache umgesetzt! Mad Man hat noch keine CD, noch nicht einmal eine MySpace Seite, so daß ihr für Tonträger kein Geld ausgeben müsst und mehr Geld in den Hut werfen könnt, den ich hinterher rumgehen lassen werde"..

Rebecka nahm auf dem Stühlchen Platz und legte los. Schon nach den ersten Zeilen sah ich, daß unsere Gäste ob ihrer tollen Stimme absolut entzückt reagierten. Man warf mir vereinzelt Blicke zu, die soviel bedeuteten wie: "Wow, Oliver, da hast Du aber wirklich ein vielversprechendes Talent an Land gezogen!" Aber mein persönlicher Verdienst daran war gering, ich hatte damals im Pop In einfach meine Öhrchen gespitzt und den Mut aufgebracht, Mad Man anzusprechen und zu fragen, ob sie bei uns spielen will. Mehr nicht.

Mad Man hatte aber nicht nur eine hübsche Stimme, sondern auch ein feines, variables und melodisches Gitarrenspiel zu bieten. Wunderbar wechselte sie Tempo und Intensität und untermalte ihren Gesang auf das Beste. Bereits das erste Lied war ein Highlight, schade, daß man es nirgendwo im Internet finden kann. Möglicherweise hat es noch nicht einmal einen Titel, weil mir Rebecka hinterher verriet, daß sie noch nicht jedem Song einen Namen gegeben hat.

Bei Lied zwei spielte Mad Man ihre stimmlichen Fähigkeiten vollkommen aus. Sie hauchte, wimmerte und greinte, kam mal bluesiger, mal jazziger und erinnerte so ein wenig an El Perro del Mar. Wie bei fast allen schwedischen Künstlern wohnte jedem ihrer Stücke eine feine Melancholie inne, obwohl ihr Repertoire keineswegs traurig war. Bestes Beispiel dafür, daß sie auch Spaß versteht und sich amüsieren kann , war dann eine absolut fantastische Coverversion der Strokes. Someday klang bei Rebecka fast besser als im Original. Sie hatte den Rhythmus und das Tempo geändert und intonierte einige Stellen viel inbrünstiger als Julian Casablancas. Das war nicht bloß das Nachspielen eines Indieklassikers, sondern vielmehr eine hochkreative Neuinterpretation. Das Pulikum johlte!

Leider näherten wir uns aber bereits dem Ende des Sets. Mad Man hatte nur 5 Lieder vorbereitet. Das vorletzte hatte es aber noch einmal in sich. Hervorstechend war hier das Guitarpicking und die phasenweise rasante Beschleunigung, gepaart mit einem Text, der mit Bissigkeiten aufwarten konnte: "I fell on you with such great fear but you just fell on your bike."

Dann war die Zeit für das letzte Lied gekommen, in dem sie textlich davon sprach, daß ihr französisch schlecht sei ("even though my french is shit"), was aber keinswegs zutrifft. Sie ist erst ein Jahr in der Stadt der Liebe und spricht wesentlich akzentfreier als ich, der schon 7 Jahre hier ist. Schweden sind nun einmal Sprachtalente, auch der englische Gesang von Mad Man war absolut perfekt. Wunderbar auch die herrlich altmodische Note, die der Abschlußsong hatte, Rebecka schafft es, mit lediglich 21 Jahren zeitlose Stücke zu schreiben. Kein Wunder also, daß sie eine Zugabe geben musste. Sie spielte einen Titel der Band der psychedelischen Band Woods (Ring Me To Sleep) und schloß damit brilliant ab.

Ein großes Talent!

Als großes Talent gilt auch Leopold Skin. Die Musikpresse scheint sich da weitgehend einig zu sein. Egal ob Printmedien wie Les Inrockuptibles und Volume oder Blogs und Webzines, alle loben sie die songwriterischen Qualitäten und die subtile Instrumentierung des jungen Mannes aus Clermont-Ferrand. Dabei könnte man meinen, daß man es in Frankreich schwer hat, wenn man nicht aus Paris, sondern der Provinz kommt. In den meisten Fällen ist das sicherlich auch so, aber Leopld Skin und drei andere Acts aus der Auvergne (Pastry Case, The Delanoe Orchestra, St Augustine) waren so findig, sich zu einem Kollektiv zusammenzuschließen, wo eine Hand die andere wäscht. Oft treten sie auch gemeinsam auf und die jeweiligen Musiker spielen teilweise in allen vier Bands mit. Das festigt den Zusammenhalt und es gilt tatsächlich der Spruch: Zusammen sind wir stark!

Leopld, bzw Damien, trat heute aber ganz alleine auf. Schmunzelnd kommentierte er dieses Umstand mit: "Einen Gast aus der Auvergne auf einer Party zu haben ist ok, aber gleich mehrere eine Zumutung. In der Runde wurde gelacht, denn unter den Zuschauern waren mindestens auch drei aus diesem provinziellen Landstrich Frankreichs. Lepold schien wert auf seine Herkunft zu legen, denn er studiert inzwischen in Lyon, wollte aber nicht als Burgunder vorgestellt werden. Große Städte mag er nämlich nicht sonderlich und am besten gefiel es ihm in Kanada, wo er sich in der Vergangenheit gleich mehrere Monate am Stück aufgehalten hat. Er liebt die weiten Landschafte, die Ruhe, die Einsamkeit. Das merkt man auch seiner äußerst ruhigen und intimen Musik an.

Bevor er beginnen konnte, musste er aber erst einmal unseren Kater verscheuchen, der es sich auf dem Künstler-Stühlchen bequem gemacht hatte. Wie immer musste D'Artagnan, so heißt das Vieh, seine Show abziehen. Katzen stehen nun einmal gerne im Mittelpunkt!


Nun aber volle Konzentration auf Leopold Skin, der mit der Ballade Winter Is Coming prima eröffnete. Ungewöhnlich seine Stimme. Ähnlich wie ein Bob Dylan ist sie stark nasal und somit gewöhnungsbedürftig. Wenn man aber einmal mit ihr vertraut ist, dann beginnt man sie gerade wegen dieser Besonderheit zu schätzen.

Hinsichtlich der gespielten Songs stammte natürlich vieles, wenngleich nicht alles, vom Debütalbum Lepolod Skin & The Blue House Dandelions. Und einer meiner Favoriten davon kam schon sehr früh. Last Night ist eine Perle von einem Folksong, reduziert, zart, melancholisch. In Leopolds Stücke kann man sich so richtig schön reinkuscheln! In den Pausen dazwischen dann immer mal wieder ein paar lustige Sprüche und Kommentare, die die Stimmung auflockerten. Dann aber wieder Konzentration und Besinnung auf die Musik. House In A Tree war einfach wundervoll, schade, daß es nicht auf dem Album drauf ist und ich somit nicht darüber verfügen kann. Es handelte sich um einen Titel, den Leopold in Kanada geschrieben hat und der den Duft der weiten Landschaft verströmt.

In seiner Kanda- Zeit hatte Damien auch ein Konzert voon Phosphorescent gesehen und das hatte ihn so beeindruckt, daß er auf die Idee kam, eine Coverversion des Songs Wolves zu schreiben. Wunderschön dieses Wolves, ein Folksong wie gemalt. Und die wehklagende Stimme von Leopld passte perfekt zu dem Stück, "they are beautiful" sang er aus voller Brust den Refrain und ich fühlte mich im eigenen Wohnzimmer wie an einem wärmenden Lagerfeuer. Leopold Skin und Phosphorescent, Brüder im Geiste, das kann man wohl getrost behaupten!

Und nach etlichen eigenen Stücken wartete der junge Mann aus der Auvergne mit einem anderen Cover auf. Katie Cruel, in letzter Zeit unter anderem von den Fleet Foxes wieder aufgegriffen, klang aus dem Munde des Franzosen ganz anders als ich das kürzlich von Pecknold gehört hatte. Dieses traditionelle Lied scheint wirklich unzählige Möglichkeiten bei der Neuvertonung zuzulassen, jeder kann dem Song seinen eigenen Stempel aufdrücken. Zwar wurde nicht mitgesungen, wie Leopold das gerne gewollt hätte (er erklärte: "eigentlich hasse ich es ja, wenn Bands dem Publikum befehlen mitzusingen-oder zu klatschen, aber in diesem Falle würde es mir schon eine Freude machen"), aber dafür lauschten alle still und andächtig und genoßen Katie Cruel in vollen Zügen.

Überhaupt: das gesamte Konzert war ein Genuß! So relaxt, nonchalant und unaufgeregt bekommt man selten Lieder vorgespielt. Keine Hektik, keine Posen, keine Eitelkeiten, einfach nur gute, zeitlose Musik. Dafür steht Leopld Sin mit lediglich 22 Jahren jetzt schon. Er wird seinen Weg bedächtig weitergehen, davon bin ich überzeugt.

Setlist Leopold Skin, Oliver Peel Session # 11:
01: Winter Is Coming
02: Last Night
03: House In A Tree
04: The Colour Of The Past
05: Back to ...
06: The Voice Of Reason
07: Wolves (Phosphorescent Cover)
08: Goodbye
09: Katie Cruel (Traditional)
10: First Morning Light
11: Lonesome & Cold

Der musikalische Teil des Abends war jedoch noch nicht beendet. Unter unseren Zuschauern war neben David von Pollyanna auch der Grieche Stephanos, der eigentlich am heutigen Tage zusammen mit Dana Boulé ein Konzert in einem Pariser Kellergewölbe hätte geben sollen. Der Keller wurde aber, aus welchen Gründen auch immer, von Amts wegen geschlossen und so konnte Stephanos, der sein Projekt Lostefound & The Metal Detectors gennant hat, nicht auftreten. Da kam mir spontan die Idee, daß er doch wenigstens bei uns ein paar Stücke vortragen könnte. Instrumente hatte er praktischerweise dabei und so stand seinem Kurzauftritt nichts mehr im Wege.

Er spielte zunächst zwei melancholische Stücke auf der Gitarre. Eines davon hieß A Tale Of Norstein und das war einfach bildschön. Ganz bedächtig ließ der Grieche, der einst in der Band von Erica Buettner gespielt hatte, seine Finger durch die Saiten gleiten und trug sanften Blickes den englischen Text vor. Unsere Gäste wurden hellhörig. Wie hieß der Kerl da vorne? Wo kann man seine Musik finden? Entsprechende Fragen hatte ich hinterher zu beantworten.

Zunächst einmal trug aber Stefo noch ein Lied auf seinem Paradeinstrument, dem Akordeon, vor. Seine spielerischen Fähigkeiten verzückten nicht nur mich, sondern auch unseren Kater d'Artagnan, der es sich vor den Füßen des Musikers bequem gemacht hatte.

Heute hatten eben alle einen guten Abend, die Musiker, die Gäste und das Katerchen!

Video: Woods - Ring Me To Sleep. Super!
- Leopold Skin - Lonesome & Cold live
- Leopold Skin - Last Night, Amateurvideo auf einer sommerlichen Wiese. Halber Purzelbaum inklusive!
- Altes Livevideo von Leopold Skin. Warum reden die Leute bloß so laut? Da hört man ja die Mundharmonika kaum noch!
- Vor Sonnenblumen: Leopold Skin in der Oliver Peel Session # 11. Gefilmt mit einem iphone.